Eigentlich „Anna went to Istanbul“, aber dann hätte die popkulturelle Anspielung nicht funktioniert. Nach dreieinhalb Wochen könnte ich nun aber auch wirklich mal was dazu veröffentlichen, ich olle Trödelnase.
Man mag es mir kaum glauben, aber ich war tatsächlich erstrangig zum Arbeiten da, auch wenn mein Hauptaufgabenfeld „Twittern“ dann recht schnell wegfiel, wie ich an anderer Stelle bereits zur Genüge schilderte. Also reiste ich Mittwochabend an, um ab dem nächsten Morgen zumindest für zwei Tage eine unserer Tochterveranstaltungen kennenzulernen. Neugierig (und bierdurstig) wie ich war, fiel ich praktisch aus dem Flieger direkt in den Aufbau. Zum Glück nicht mit allzu viel Schwung, sonst hätte ich mich da in dem Chaos bestimmt erst mal mit Karacho gemault. Denn so wie auf dem Bild sah es dort um 17:14 am Vorabend noch überall aus. Und um 22 Uhr immer noch, elfeinhalb Stunden vor der Eröffnung. Aber hey, irgendwie hat’s funktioniert.
Ich werde euch weitere kryptische Hinweise auf meine Arbeit dort ersparen. In den paar Tagen ist man da sowieso plötzlich Mädchen für alles. Aber ich hatte deutlich mehr Spaß als erwartet und durfte einige sehr nette Menschen endlich mal persönlich kennenlernen. Und zum Glück gab es dort mehr für mich zu tun, als nur zu arbeiten, denn ich durfte das Wochenende noch dableiben und sowas wie urlauben! Also einen Tag lang, denn wenn so eine Maschine Sonntagmittag zurückfliegt, dann kann man sich diesen Tag ja schon mal komplett abschminken. Der Samstag ist mir aber geblieben und ich ging los um das zu tun, was ich in fremden Städten am allerliebsten mache: Einfach loslaufen und sich unauffällig unter’s Volk mischen.
Tja. Pustekuchen. Rote Haare, Leichenteint und 1,74-Gardemaß, da erspähen einen die Händler, Fremdenführer und Menschenhändler schon auf zwei Kilometer Entfernung. Wer hier aufmerksam mitliest, der weiß bereits, wie gut das bei mir ankommt. Nicht umsonst bläuen einem die Eltern die halbe Kindheit lang ein, dass man sich nicht von Fremden anquatschen lassen soll. Das ist nicht menschenfeindlich und unkommunikativ, ich höre einfach nur auf meine Mama. So. Ich fand den Sultanahmet Platz bei strahlend blauem Himmel mit Blick auf die Blaue Moschee und die Hagia Sophia wirklich total schön, aber wenn man – ohne Übertreibung – alle drei Minuten von irgendjemandem aufgehalten wird, dann nervt’s. Für mich war es eine Tortur, auch wenn ich auf keinen Fall irgendjemandem von einem Besuch des Viertels abhalten möchte, denn gesehen haben sollte man es unbedingt.
Dabei tat ich doch eigentlich alles, um nicht weiter aufzufallen… Nein, Scherz beiseite, ich möchte fast behaupten, dass man in Istanbul in meinem Alter mit Kopftuch deutlich schneller auffällt, als jemand ohne. Denn man mag es kaum glauben: Eigentlich ist es dort fast wie bei uns. Gerade die Istanbuler unter 35 würden hier bei uns mal so gar nicht herausstechen, denn die gehen genauso bei Mango, Esprit und h&m einkaufen und tragen Chucks oder Vans an den Füßen. Was mich da echt beeindruckt hat, waren die krassen Gegensätze in der Stadt. Da steht man in der riesigen Einkaufsstraße İstiklal Caddesi zwischen einem Samsung-Store, Starbucks und Converse, neben einem begrüßt gerade eine Frau in Burka ein Mädel in Lederjacke mit Ray Ban Aviator auf der Nase und im Hintergrund ruft der Muezzin zum Gebet.
Wer nun also die Befürchtung hatte, ich hätte mal wieder nur was zu meckern, der irrt. Denn einmal über die Galata Brücke, auf der immer Scharen von Anglern stehen, was ich übrigens sehr sehr lustig fand, war das Beyoğlu Viertel schon mehr meine Welt. Mit der besagten Einkaufsstraße, in der ich aber total standhaft blieb. Ok, die Preise dort sind leider auch nicht mehr groß anders als bei uns und ich hatte keine Lust so viel mit in den Flieger zu schleppen. Was ich außerdem noch äußerst witzig fand, war die historische Straßenbahn, die dort immer noch durch die Menschenmengen fährt, bis hin zum Taksim Platz. Mit Gegensätzen spielen, das können die Istanbuler.
Ich habe übrigens selbst gerade erst entdeckt, dass da scheinbar noch niemand Lust hatte, die winterliche Lichterdekoration abzuhängen. Also wirklich alles wie bei uns. Naja, so hat man zum Jahresende hin auch wieder weniger zu tun. Im Vergleich zu den fünfzehn Meter hohen Häuserbannern mit irgendwelchen schnauzbärtigen Kandidaten für die Kommunalwahlen Ende März ist so eine Lichterdeko aber auch tatsächlich relativ unauffällig.
Und natürlich war ich auch auf im Gezi Park, der letzten Sommer leider auf unschönem Wege Berühmtheit erlangte. Dabei ist das wirklich nur ein schöner, kleiner Park. Mitten zwischen Einkaufstrubel und Verkehr. Am einen Ende ein Spielplatz, am anderen Ende ein Brunnen und dazwischen alte Menschen und Studenten, die herumliegen, essen und lesen. Was ich auch tat. In der viertgrößten Stadt der Welt mit über 14 Millonen Einwohnern auf viel zu wenig Fläche lag ich dort in der Sonne und hörte Vögeln und spielenden Kindern zu. Richtig schön.
Mein Istanbul-Fazit: Man muss die Stadt mal gesehen haben. Aber bringt gute Nerven für die Touristenplätze mit, außer ihr seht erst auf den zweiten Blick wie ein dusseliger Deutscher aus. Das türkische Essen ist super und schlendert auf jeden Fall abends mal am Bosporus entlang. Denn Istanbul scheint sehr schöne Ecken zu haben, wenn man den Reiseführer erst mal in die Ecke geworfen hat und einfach drauf losgelaufen ist.
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