Geduldig sind die geistig Armen.

Mit Geduld hab ich’s nicht so. Dumme Menschen, trödelnde Menschen, Menschen in Fußgängerzonen, Menschen auf Rolltreppen und Menschen an Supermarktkassen haben eines gemeinsam: Sie lassen sich durch Menschen beim Bäcker noch toppen. Wahrscheinlich denkt nicht mal eine Amöbe langsamer als ein Rentner, der sich gerade zwei Kuchenstücke aussucht. Außer vielleicht so ein Halbgarer nachts um 3 bei McDonalds. Wo sonst lässt man sich jede einzelne Sorte einmal kurz ins Licht halten, bevor man sich für eines der Körnerbrötchen entscheidet? In 95% der Fälle übrigens für das gemeine Mehrkornbrötchen. Egal wie lange da vorher draufgeguckt wurde.

Auf dem Weg zwischen Stadtbahn und Büro hat nun vor nicht allzu langer Zeit endlich ein Bäcker seine Pforten für mich geöffnet. Für mich und für achtundneunzigtausend Schüler, Rentner und Hausfrauen mit Kinderwagen. So eine richtig stylische Butze mit Drive-thru und Mini-Pizzen und Grünkohl mit Pinkel auf Butterbrot. Heute Morgen hatte nun gefühlt der komplette Bielefelder Osten frei, um sich mal eines der famosen Techno-Frühstücke (die Dinger heißen wirklich so) schmecken zu lassen. Muss man wenigstens nicht mehr bis zu IKEA gurken und dort die Mitmenschen mit seiner Anwesenheit belästigen.

Dann steht man da als hochmotivierter Arbeitnehmer, möchte nur fix ein kleines Schokobrötchen für auf die Arbeit einsacken und dann steht man da. Zwei Bäckereifachverkäufer bedienen die Frühstücker, die Angestellte mit dem größten Wortschatz hat das Headset für den Drive-thru auf und vier Leute diskutieren, von welcher Seite man nun die offenfrischen Sunnys am besten zum Belegen aufschneidet. Ich plädierte für einen vertikalen Schnitt.

So durfte die junge Frau vor mir dann aus zahlreichen Töpfchen mit verschiedenen Marmeladen, Honig, Rübenkraut und sonstigen Aufstrichen ganze drei auswählen. Um das zu können, muss man natürlich wissen, was man mag. Und wer weiß das schon. Außerdem war kein Nutella dabei, was die Sache für den Durchschnittsdeutschen deutlich beschleunigt hätte. Kaum war diese schwere Hürde genommen (es gab, und nun haltet euch gut fest: Quark, Honig und Erdbeermarmelade) durfte sie für das Frühstück ihres Freundes auch noch auswählen. Und der bekam sogar ganze fünf Sorten. Der Freund hatte wahrscheinlich keinen Bock auf den Stress und auf sie und überhaupt und saß irgendwo zeitunglesend in der Sonne. Offenbar das Hirn in der Beziehung.

Plötzlich erhellte sich mein Blick, als sich eine zweite Bäckereifachverkäuferin auf mich zubewegte. Aber nur so lange, bis mein Blick auf den sehr sehr großen Teller in ihrer Hand fiel. Und auf Klaus. Er muss Klaus geheißen haben. Oder Jens. 138 Kilo, 1,72 m, Jeansjacke, Karohemd, kein Haupthaar. Klaus-Jens schob mich elegant beiseite und seine Augen leuchteten wahrscheinlich zum ersten Mal seit 24 Jahren auf, als die Frau hinter dem Tresen zu ihm sagte: „Sie dürfen sich sieben Sachen aussuchen.“

Dann bin ich gegangen.

Neues von aufer Maloche.

Ich scheine in letzter Zeit so oft und vor allem so überzeugend über meine Arbeit zu motzen, dass sich konkrete Jobvorschläge häufen. In der letzten Woche gab’s gleich zwei, als gibt’s nun diesen Blogeintrag. Da seid ihr selber schuld, würde ich mal sagen.

Vorneweg: Ich dürfte gerade nirgendwo neu anfangen. Wenn ich mich ab kommender Woche offiziell „Online Marketing Consultant (IHK)“ schimpfen darf, beginnen damit auch zeitgleich 365 Tage vertraglicher Bindung an die Firma. Das hab ich mir selbst eingebrockt, dafür wurde mir aber auch die Weiterbildung bezahlt. Als ich den Zettel im letzten Frühsommer unterschrieb, war beruflich bei mir gerade alles top. Ein spannendes, breites Aufgabenfeld, nette Kollegen, alles toll. Danach kam einiges zusammen, was die meisten von euch aber im Detail überhaupt nichts angeht. Der kleine Rest darf mich beim Bier direkt fragen. Sagen kann ich, dass es da gerade zu viel Stress und zu viele zwischenmenschliche Spannungen gibt. Eine fiese Mischung. Zum Glück steht meine kleine Marketing-Abteilung über den Dingen. Cooler Haufen halt.

Nun kommen wir aber auch schon zur unangenehmen Wahrheit: Ich will da gar nicht weg. Denn irgendwie ist es genau das, was ich jetzt gerade machen möchte. Ich habe viel Abwechslung, für eine Berufsanfängerin viel zu sagen und ein gutes Team um mich herum. Leider mutet man genau diesem Team momentan viel zu viel zu. Und bald bin ich auch keine Junior Medientante mehr, sondern nur noch Medientante. Dann kommt die Sache mit der Verantwortung ins Spiel. Stichwort Projektleitung. Und damit meine ich nicht die Orga bei der Umsetzung der neuen Website. Nö, ich schmeiße dann bald das Marketing für unser größtes Event. Ich will jetzt nicht behaupten, dass ich kein Händchen für Budgetplanung hätte, aber wenn’s damit so läuft, wie mit meinem Gehalt, dann ist der Topf schon nach der ersten Jahreshälfte leer. Upps.

Aber was soll ich hier vor mich hin spekulieren und mich jetzt schon selbst verrückt machen. Es wird schon einen Grund geben, weshalb man mir das zutraut. Natürlich hab ich total Schiss vor dem Stress. Aber wenn ich das gemeistert habe, kann mich beruflich wahrscheinlich gar nichts mehr umhauen.

Twitter ist kein Chat.

Jein. Ein Chat ist laut Definition elektronische Kommunikation in Echtzeit und das kann auf Twitter durchaus der Fall sein. Wenn jemand Ewigkeiten später (also nach mehr als 15 Minuten) einen Reply sendet, dann ist das für mich gefühlt nur noch ein Kommentar und wird wahrscheinlich in den ewigen Jagdgründen verschwinden. Für solche Ausreißer ist Twitter einfach zu schnelllebig.

„Twitter ist kein Chat“ ist ergo nicht ganz richtig. Denn die Technik dafür wäre da. „Ihr sollt auf Twitter nicht chatten“ wäre treffender. Das liegt aber nicht daran, dass Dialoge auf Twitter nicht funktionieren. Es geht nur ziemlich wahrscheinlich irgendwann den anderen Followern gehörig auf den Sack. Glück hat derjenige, der auf die Beiträge eines externen Exoten antwortet, der nicht zu seinem angestammten Twitter-Rudel gehört. Diesen Chat sieht dann nämlich fast niemand. Außer man ist Armin Rohde und setzt vor seine Replies prinzipiell immer einen Punkt. Das ist dann aber auch wieder ziemlich dumm.

Natürlich hat auch „Twitter ist kein Chat“ noch eine Steigerungsform: „Ihr sollt auf Twitter nicht diskutieren“. Stimmt. Stimmt immer. Denn mal ganz ehrlich, selbst ein echter Ostwestfale kriegt in 140 Zeichen keine vernünftigen Argumente unter. Wer mit Fleichessern / Vegetariern / Veganern streiten möchte, wer die neuen gelben Säcke doof findet oder wer darüber entscheiden will, in welchem Freibad die Kinder im Sommer 2015 plantschen dürfen: Nehmt euch ein Zimmer. Irgendwo in den tiefen des Internets gibt es bestimmt noch Chatrooms. Oder halt Hangouts und Facebook-Nachrichten-Parties, WhatsApp-Gruppen und was weiß ich nicht was. Mir ganz egal. Hauptsache weg.

Aber mal von hinter der Schattenwand gesprochen: Ja, auch ich schreibe Replies. Aber was nach vier Tweets nicht erledigt ist, das wird ausgelagert. Wenn dann nach Stunden im Chat ein Mittel gegen die Erderwärmung, Krieg oder Aids gefunden worden ist, teile ich euch das dann natürlich wieder mit. Ehrensache. Einzige Ausnahme sind Verabredungen zu Bier und Tanz, bei denen ich mir erhoffe, dass sich noch irgendwelche anderen Follower angesprochen fühlen und dazustoßen. Dann müssen Zeit und Ort öffentlich diskutiert werden, sonst kriegen die das ja gar nicht mit. Wen das stört: Pech. Gehört bei mir zum Gesamtpaket. Irgendeinen Haken gibt’s ja immer.

Suit up.

Hoodie, Jeans und Chucks. Zum Glück habe ich 95% der Zeit einen Job, in dem ich nicht sonderlich seriös rüberkommen muss. Höchstens am Telefon. Alles andere wäre auch totaler Quatsch, denn dann bräuchte ich ja zwei Kleiderschränke für diese zwei Persönlichkeiten.

Die nächste Woche gehört leider zu den restlichen 5 Prozent. Da bin ich dann die stets freundliche Dienstleisterin im Blazer. Smalltalk ist Pflicht, dumme Fragen gibt es nicht. Total mein Naturell. Menschen mit Samthandschuhen anpacken und auch das größte Arschloch ist König Kunde. Ich werde ganz ganz viel twittern müssen. Gewisse Personen dürfen sich jetzt schon freuen.

Eigentlich ist genau das auch das Problem und nicht die Kleidervorschrift. Schließlich muss ich weder Krawatte tragen, noch 10 Stunden am Stück in unbequemen Schuhen herumlaufen. Je schlunziger der Alltagslook, desto anspruchsloser ist der Chef beim Businessoutfit. Und Blazer und Blusen stehen mir gar nicht mal schlecht. Aber die Karnevalsklamotte kommt halt direkt eingebauter mit Maske für den Charakter.

Und dennoch: Diese Maskerade ist auch gleichzeitig der Endspurt nach fünf Monaten Arbeiten am eigenen Limit. It’s the Final Countdown. Dududu du duuuu. Yeah.